Artikel von Christian Obenaus

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Nachhaltigkeit & ESG-Berichtspflicht: Was das Omnibus-Paket für Unternehmen in Österreich bedeutet

Am 3. April 2025 hat das Europäische Parlament beschlossen, die Umsetzung einiger zentraler Vorschriften zur Nachhaltigkeitsberichterstattung im Rahmen des sogenannten "Omnibus-Pakets" aufzuschieben. Dieser Schritt betrifft insbesondere die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sowie das geplante EU-Lieferkettengesetz und zielt darauf ab, die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen am internationalen Markt zu stärken. Während viele Unternehmen zunächst aufatmen, stellt sich die Frage: Was bedeutet dieser Aufschub konkret für Unternehmen in Österreich? Und lohnt es sich überhaupt noch, in ESG-Kompetenz zu investieren?

INHALT

Modernes EU-Gebäude mit nachhaltiger Glasfassade und begrünten Elementen vor blauem Himmel. Im Vordergrund die Flagge der Europäischen Union mit gelben Sternen. Symbolbild für nachhaltige EU-Gesetzgebung, ESG-Richtlinien und das EU-Omnibus-Paket.

Was ist das Omnibus-Paket?

Das Omnibus-Paket ist Teil einer umfassenderen Strategie der EU-Kommission zur Entlastung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) von bürokratischen Hürden und wurde im Februar 2025 vorgestellt. Es soll europäische Unternehmen wettbewerbsfähiger machen. Ein zentrales Element darin ist die Verschiebung der CSRD-Anforderungen für bestimmte Unternehmensgruppen sowie der Anwendungsbeginn der EU-Richtlinie zur nachhaltigen Unternehmensführung (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD).

Die offizielle Mitteilung der EU-Kommission betont, dass es sich um einen pragmatischen Schritt handle, um Unternehmen mehr Zeit zur Vorbereitung zu geben – nicht um eine Abkehr von den Nachhaltigkeitszielen der EU (Quelle: Europäische Kommission).

Was wurde konkret beschlossen?

Mit dem Beschluss des EU-Parlaments wird die Anwendung der CSRD für bestimmte Unternehmen verschoben:

  • Nicht kapitalmarktorientierte große Unternehmen (mit mehr als 250 Mitarbeitenden oder mehr als 40 Mio. Euro Umsatz) erhalten Aufschub bis 2027, ihre ersten Nachhaltigkeitsberichte sind dann 2028 fällig.
  • Kapitalmarktorientierte KMU erhalten ebenfalls mehr Zeit und können bis 2028 auf eine Berichtspflicht verzichten.
  • Das EU-Lieferkettengesetz (CSDDD) wird um ein Jahr auf 2028 verschoben.

Diese Regelungen müssen zwar noch formell vom Rat der EU bestätigt werden, gelten aber als weitgehend abgesegnet (Quelle: ESGnews).

Welche Unternehmen in Österreich sind betroffen?

Etwa 80 % der ursprünglich betroffenen Unternehmen fallen vorübergehend nicht mehr unter die CSRD. In Österreich profitieren vor allem nicht börsennotierte große Unternehmen sowie kapitalmarktorientierte KMU von dem Aufschub. Für sie bedeutet die Entscheidung mehr Zeit, um interne Strukturen, Prozesse und Kompetenzen für eine strukturierte Nachhaltigkeitsberichterstattung aufzubauen.

Nicht betroffen sind hingegen:

  • Unternehmen, die bereits jetzt unter die EU-Taxonomie oder die NFRD (Non-Financial Reporting Directive) fallen
  • Konzerne mit mehr als 500 Mitarbeitenden und Kapitalmarktorientierung

Indirekt betroffen sind jedoch auch viele kleinere Unternehmen, die Teil von Lieferketten größerer Konzerne sind. Diese werden zunehmend von ihren Kunden zur Offenlegung von ESG-Daten aufgefordert, auch wenn sie formal (noch) nicht berichtspflichtig sind.

Was bedeutet der Aufschub für HR-Strategien und ESG-Kompetenzaufbau?

Der Aufschub verschafft Unternehmen Zeit, ihre ESG- und Nachhaltigkeitsstrategien konkret auszuarbeiten, interne Zuständigkeiten zu klären und diese dauerhaft in der Organisation zu verankern. Doch ESG-Themen verschwinden damit keineswegs aus dem Fokus – im Gegenteil: Die Erwartungen von Markt, Investor:innen und vor allem Mitarbeiter:innen steigen weiter. Unternehmen sind gut beraten, diese Zeit nicht als Pause, sondern als strategische Vorbereitungsphase zu nutzen.

HR-Abteilungen spielen dabei eine Schlüsselrolle. Denn Nachhaltigkeit beginnt nicht erst im Reporting, sondern bereits bei der Unternehmenskultur – und die wird maßgeblich durch Personalstrategien geprägt. Es gilt, ESG nicht als rein regulatorisches Thema zu betrachten, sondern als strategischen Hebel im Recruiting, der Mitarbeiterbindung, Positionierung und Unternehmensführung.

  • Talente und Bewerber:innen achten zunehmend auf Nachhaltigkeit und Unternehmenswerte: Talente – insbesondere aus der Generation Z und den Millennials – erwarten heute mehr als attraktive Gehälter und flexible Arbeitszeiten. Sie wollen wissen, wofür ein Unternehmen steht. Authentische Kommunikation zu Nachhaltigkeit, sozialen Standards und ethischem Handeln wird zunehmend zum Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte. Wer hier glaubwürdig kommuniziert, gewinnt nicht nur Bewerber:innen, sondern auch Loyalität im bestehenden Team.
  • ESG-Kompetenz muss gezielt entwickelt werden: Mit dem Aufschub verschiebt sich der regulatorische Druck – aber nicht die Notwendigkeit, Know-how aufzubauen. Unternehmen sollten jetzt gezielt Weiterbildungs- und Entwicklungskonzepte für ESG-relevante Kompetenzen in Führung, HR und Fachbereichen schaffen. Das betrifft Themen wie nachhaltige Beschaffung, Diversity & Inclusion, Energieeffizienz oder Lieferkettenverantwortung. In vielen Organisationen fehlt bislang eine klare Rollenverteilung – wer ist verantwortlich, wer entscheidet, wer berichtet? Diese Strukturen sollten jetzt definiert und personell gestärkt werden.
  • Wertorientierte Führungskultur und Anreizsysteme schaffen: Damit ESG-Ziele wirksam umgesetzt werden, braucht es Führung, die Nachhaltigkeit vorlebt, und entsprechende Anreizsysteme, die das Verhalten gezielt steuern. ESG-Kriterien sollten in Zielvereinbarungen und Boni integriert werden, um Nachhaltigkeit messbar zu machen und als festen Bestandteil der Unternehmenskultur zu verankern. 

Auch unsere eigene ESG-Umfrage unter österreichischen Unternehmen zeigt: Viele Betriebe sehen Nachhaltigkeit bereits als zentralen Erfolgsfaktor – doch es fehlt häufig an klaren Verantwortlichkeiten und konkreten Umsetzungsstrukturen.
👉Zu den Umfrageergebnissen
👉Zur Zusammenfassung der Umfrageergebnisse

Risiken und Kritik am Aufschub

Zahlreiche Organisationen aus Zivilgesellschaft und Investorenkreisen kritisieren den Aufschub. Sie sehen darin ein Signal der Unsicherheit und bezeichnen die Verschiebung als rückwärtsgewandt. Die Sorge: Unternehmen könnten ESG-Initiativen auf Eis legen oder als optional betrachten – mit langfristig negativen Auswirkungen auf Glaubwürdigkeit, Marktposition und Finanzierungskonditionen.

Auch für Finanzakteure bedeutet der Aufschub eine geringere Verfügbarkeit standardisierter ESG-Daten – was die Integration von Nachhaltigkeit in Investmententscheidungen erschwert.

Empfehlungen für Unternehmen

Gerade Unternehmen, die aktuell noch nicht berichtspflichtig sind, sollten den Aufschub als strategischen Vorlauf nutzen. Unsere Empfehlungen:

  • ESG-Kompetenzen im HR- und Leadership-Bereich aufbauen
  • Nachhaltigkeitsziele in Unternehmens- und Personalstrategie integrieren
  • Prozesse für die CSRD-konforme Berichterstattung vorbereiten (z. B. doppelte Wesentlichkeit, Datenverfügbarkeit, Stakeholder-Einbindung)
  • ESG als Differenzierungsmerkmal im Recruiting und Kundenkontakt aktiv nutzen

Fazit: Wer heute investiert, profitiert morgen

Der Aufschub ist keine ESG-Auszeit, sondern ein Planungsfenster. Unternehmen in Österreich sollten die kommenden zwei Jahre nicht als Pause, sondern als strategisches ESG-Entwicklungsprogramm verstehen. Denn während der gesetzliche Druck temporär nachlässt, steigen gleichzeitig die Erwartungen von Talenten, Kund:innen, Investor:innen und der Öffentlichkeit.

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